Fremden- und Asylrecht


Staatsbürgerschaft - Nach dem Prinzip Zufall?


Gnade statt Recht

Die gefeierte Operndiva Anna Netrebko ist Österreicherin - durch Beschluss der Bundesregierung. Ebenso wurde Nikolaj Dawidenko, einer der Top Ten der Tennis-Weltrangliste, durch Beschluss der Bundesregierung zum Österreicher.
Beide mussten keine Sprachprüfung ablegen, nicht die Staatsbürgerschaftsprüfung absolvieren und auch nicht ihre bisherige Staatsbürgerschaft ablegen. Soviel Fürsorge und soviel Verständnis für die Integration von Ausländern wünscht man sich von der Bundesregierung auch in anderen Fällen.

Es ist weder Frau Netrebko noch Herrn Dawidenko vorzuwerfen, dass die österreichische Bundesregierung ihre knapp bemessene Zeit den beiden in so überreichem Ausmaß gewidmet hat und soviel Verständnis für die Lebenssituation der beiden aufgebracht hat.

Der Bundesregierung ist aber doch vorzuwerfen, dass sie für die Anliegen "gewöhnlicher" BewerberInnen um die österreichische Staatsbürgerschaft kein so offenes Ohr hat. Im Gegenteil. Für diese hat die Bundesregierung 2006 Regelungen geschaffen, die BewerberInnen um die österreichische Staatsbürgerschaft der Willkür aussetzen.


Eine völlig kontraproduktive Regelung

Das Staatsbürgerschaftsrecht wurde im Jahre 2006 geändert. Die Änderungen waren so umstritten, dass das Oberhaus des österreichischen Parlamentes, der Bundesrat, einen Einspruch gegen das Gesetz vorbrachte und dabei erklärte "hier wird eine unnötige Novelle geschaffen, wie noch dazu völlig kontraproduktiv ist."

Eine der "völlig kontraproduktiven" Bestimmungen ist § 10 Abs 1 Z 7 Staatsbürgerschaftsgesetz (StbG), wonach nur Staatsbürger werden darf, wenn "sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist". Vor 2006 durfte auch StaatsbürgerIn werden, wenn der Lebensunterhalt zwar nicht hinreichen gesichert war, aber "ihn an seiner finanziellen Notlage kein Verschulden trifft". Dieser Satz wurde vom Gesetzgeber aber gestrichen.

Die neue Bestimmung wird nun von den Behörden so verstanden, dass seit der Novelle 2006 Personen - unabhängig ob sie unverschuldet in Not geraten sind - nicht mehr Staatsbürger werden können, wenn sie aufgrund dieser Notlage nicht ihren Lebensunterhalt selbst sichern könnten.

Die "unnötige Novelle " hat überdies die Bestimmung des § 10 Abs 5 StbG eingeführt, der die Höhe der zur Sicherung des Lebensunterhalts notwendigen Mindesteinkünfte festsetzt.

Die Sicherung des Lebensunterhaltes ist nach § 10 Abs 5 StbG dann gegeben, wenn eigene, feste und regelmäßige Einkünfte aus Erwerb, Einkommen, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Versicherungsleistungen zum Entscheidungszeitpunkt für die letzten der Jahre vor der Entscheidung nachgewiesen werden können.
Sozialhilfe soll nicht als Sicherung des Lebensunterhaltes gelten. Die Höhe der Einkünfte soll mindestens den Richtsätzen für die Ausgleichszulage entsprechen.

Der Richtsatz für die Ausgleichszulage beträgt im Jahr 2007 pro Monat: für Alleinstehende Euro 726,00, für Alleinverdiener, die mit dem Ehepartner im gemeinsamen Haushalt leben Euro 1.091,14 und zusätzlich für jedes Kind, dessen Nettoeinkommen Euro 267,04 nicht übersteigt, Euro 76,09.
Das ist nicht wenig. Auch PensionistInnen oder TeilzeitarbeiterInnen tun sich schwer, solche Beträge nachzuweisen. Das Kinderbetreuungsgeld beträgt derzeit Euro 14,53 pro Tag, das sind ca. Euro 436,- pro Monat.


Des Kaisers neue Kleider?

Von den Behörden werden diese Bestimmungen nun so verstanden, dass die Staatsbürgerschaft nur dann verliehen werden dürfte, wenn die StaatsbürgerschaftswerberInnen für sich und ihre Angehörigen pro Monat Einkünfte mindestens in Höhe der Ausgleichszulage für die letzten drei Jahre vor der Entscheidung nachweisen könnten.

Das würde bedeuten, dass Personen - auch wenn sie unverschuldet in Not geraten sind oder kein hohes Einkommen haben - nicht mehr StaatsbürgerInnen werden könnten. Jemand der etwa durch einen Unfall, ein Verbrechen oder eine Krankheit, oder eine Behinderung nicht die Einkünfte in der geforderten Höhe nachweisen kann, wird nach der derzeitigen Behördenpraxis aufgefordert, den Antrag zurück zu ziehen, weil er aussichtslos wäre.


Prinzip Zufall

Der österreichische Gesetzgeber hat 2006 übersehen, dass auch der Gesetzgeber selbst an Gesetze und Vereinbarungen gebunden ist.
Solche Vereinbarungen finden sich etwa im Recht der Europäischen Union, aber auch in Staatsverträgen, zu deren Einhaltung sich Österreich verpflichtet hat.
Auch die Europäische Menschenrechtskonvention ist einzuhalten. Das ist etwa der Anspruch auf Sicherheit des Privat- und Familienlebens oder das Verbot der sozialen oder rassischen Benachteiligung.

Die österreichische Verfassung verlangt von österreichischen Gesetzen, dass sie dem Gleichheitsgebot entsprechen, also sachlich gerecht und nicht willkürlich sind. Unsachlich und verfassungswidrig ist ein Gesetz etwa dann, wenn sachlich gleiches ungleich behandelt wird oder wenn Entscheidungen nicht von sachlichen Voraussetzungen, sondern vom Gutdünken oder der Willkür einzelner Behörden abhängen können.

Versteht man die neue Regelung über die "hinreichende Sicherung des Lebensunterhaltes" so, wie sie von den Behörden derzeit verstanden wird, dann hängt die Verleihung der Staatsbürgerschaft aber vom Zufall ab.

Es ist völlig zufällig, wann die Behörde entscheidet. Das ist aber der Zeitpunkt, ab dem die drei Jahre gemessen werden, innerhalb ab der die StaatsbürgerschaftswerberInnen die hinreichende Sicherung des Lebensunterhaltes nachweisen müssen.

Zufällig ist, ob die StaatsbürgerschaftswerberInnen Opfer eines Verbrechens, einer Krankheit, eines Unfalles wurden oder ob sie durch ein sonstiges unvorhersehbares und unabwendbaren Ereignis betroffen sind, welches sie etwa aus dem Erwerbsleben geworfen hat oder es ihnen verunmöglicht, entsprechende Einkünfte für den Zeitraum von drei Jahren nachzuweisen.

TeilzeitarbeiterInnen, AlleinerzieherInnen oder PensionistInnen erreichen kaum das geforderte Einkommen. Das Kinderbetreuungsgeld beträgt derzeit Euro 14,53 pro Tag, das sind ca. Euro 436,- pro Monat. Nicht alle haben sich ihre Situation aussuchen können.


Was tun?

Du hast keine Chance, aber nütze sie.

Mit dem neuen Staatsbürgerschaftsgesetz wurde "eine unnötige Novelle geschaffen, die noch dazu völlig kontraproduktiv ist".

StaatsbürgerschaftswerberInnen sollten sich nicht entmutigen lassen, weiterhin Anträge stellen, sie sollten argumentieren.
Wenn der Lebensunterhalt nicht die Richtsätze der Ausgleichszulage erreicht, sollte vorgebracht werden, dass die StaatsbürgerschaftswerberInnen an ihrer "finanziellen Notlage kein Verschulden trifft". Diese Argumente sollten schriftlich vorgebracht werden.

Die StaatsbürgerschaftswerberInnen sollten sich mit einer negativen Entscheidung nicht zufrieden geben, sondern beim Verfassungsgerichtshof die Verfassungswidrigkeit der "völlig kontraproduktiven" Gesetzesänderungen geltendmachen. StaatsbürgerschaftswerberInnen sollten den Verstoß der Novelle gegen EU-Richtlinien und Staatsverträge bei der Europäischen Union und der Europäischen Menschenrechtskonvention einklagen.


Veröffentlicht in "Asyl aktuell" 2/2007, 8

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